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From Moravian Lives
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Noth keine Predigt versäumte. Meine Herrschaft, die
dieses an mir wahrnahm, liebte mich daher vorzüg-
lich, und schenkte mir ihr Vertrauen in der Maße-
daß sie mir die Besorgung des ganzen Hauswesens
übergab. Dabey war ich aber immer unruhig über
meinen Seelenzustand- betete und weinte Viel auf mei-
nem Angesicht zu Gott, und ging aus einer Kirche in
die andere-. um Trost und Beruhigung zu suchen. So
fromm ich mich aber zu seyn dünkte, konnte ich doch
nicht über die Zweifel meines Herzens wegkommen,
die mich meiner Seligkeit nicht gewiß werden ließen.
In unserm Hause befand sich ein gottesfürchtiges und
erwecktes Fräulein, die mich sehr liebte, und meine
Unruhe merkte. Diese wies mich in eine Kirche, in
der alle Sonnabend ein Bruder aus der Brüder So-
cietät predigte. So wie ich hier eintrat, hörte ich ge-
rade die Worte sagen: „Meine l. Zuhörer, ich will
euch den Unterschied zeigen zwischen einem gottloer
und einem sich fromm dünkenden Manschen Wenn
der Gottlose stirbt, so sagen die Menschen: der Mensch ·
ist verloren! und von dem Frommen: er ist selig.
Aber wenn sie nicht beyde als arme Sünder sich zum
Heiland gewendet, und bey Ihm Gnade gesucht und
gefunden haben, so sind sie bende verloren!“ Das
durchging mich, weil ich mich unter die Heuchler rech-
nen mußte, und mich daher für verloren hielt. Ich
besuchte seitdem oft in dieser Kirche, aber ich rang ver-
gebens nach Trost, indem mein Herz von unbesiegba-
ren Zweifeln an Gottes Barmherzigkeit zerrissen wurde.
Endlich Wurde ich sehr krank, und da sich meine Phan-
tasien